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Donnerstag, 23. April 2015

Das Dorf


Oktober 2012



Mit Bekannten treffe ich mich beim Italiener und erzähle von meiner Idee und davon, dass ich sie sofort wieder verworfen habe. Im Internet habe ich mich umgesehen und festgestellt, dass ein Biograf ca. 8000 Euro verlangt.
"Dann schreib es doch selber!" bekomme ich beinahe im Chor zu hören.
"ICH... ?!!" erwidere ich entsetzt und ungläubig.

Mein Deutschlehrer prophezeite, der Zugang zur Literatur bleibe mir für immer verschlossen, weil ich vor der Klasse stehend, vor Nervosität den Text von Goethes Osterspaziergang nicht mehr parat hatte.
Durch das in meine Fähigkeiten gesetzte Vertrauen meiner Freunde, und die Hoffnung nach vierzig Jahren eventuell doch noch an Weisheit und Wissen dazugewonnen zu haben, beginne ich über das dörfliche Leben in Ötlingen anno 1914, als meine Oma gerade sechzehn Jahre alt war einige Zeilen zu notieren.

Ich kenne mich aus in diesem Dorf. Ich lebe ja immer noch dort, an dem Bach wo sie einst gebadet hat. Nur, wie man hier vor hundert Jahren gelebt hat, darüber weiß ich wenig.





Zu jedem Besuch bei meiner Mutter nehme ich von nun an ein kleines Diktiergerät mit und erkläre ihr, dass ich ihre Erinnerungen aufnehmen werde, weil ich darüber schreiben möchte. Sie freut sich sehr über mein Interesse und ignoriert das Gerät.

Natürlich kann sie auch nur die Erzählungen ihrer Mutter wiedergeben, deshalb sehe ich mich nach mehr Informationsmaterial um. Bei meiner Heimatzeitung werde ich fündig und ergattere die letzte Ausgabe der Ötlinger Dorfgeschichte.
Bis ins Jahr 1760 reichen die Eintragungen über meine Familie mütterlicherseits zurück. Vielleicht liegt es an den Genen, dass mich bei dieser Entdeckung beinahe Panik erfasst.
Für meine Oma war unser kleiner Bahnhof das Tor zur Welt und der Ort ihrer Träume und Sehnsüchte.





5 Kommentare:

  1. Lass dich von den Aussagen der früheren Lehrer nicht irritieren. Ich habe ähnliches immer wieder zu hören bekommen...

    Das Projekt machst du! Gibt keinen Grund es nicht umzusetzen.
    Und schreibe es selbst. Dauert evtl etwas länger, aber im Nachgang ist es dann nicht nur DEINE Familiengeschichte, sondern vor allem die von DIR verfasste Familiengeschichte.
    Damit schaffst du etwas ganz persönlich eigenes. Etwas, auf was du Stolz sein kannst. Und das wirst du sein.
    Ich finde es eine ganz tolle Idee!!!

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    1. Danke Ho Sa fürs Mut machen!
      Ich habe mir auch gedacht, bei einem fremden Menschen wird meine Mutter nicht so unbeschwert erzählen, deshalb und nicht nur aus Kostengründen will ich es selbst schreiben, auch wenn es nur bei einer Familiengeschichte bleibt. Aber irgendwann hat mich der Ehrgeiz gepackt und es sollte mehr daraus werden.

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  2. Das klingt wirklich sehr, sehr spannend.
    Ich finde es toll, dass du trotz gegenteiliger Behauptungen Anderer dich nicht beirren läßt und das Projekt angehst.
    Und was ganz wichtig ist in meinen Augen, deine Mutter ist auf deiner Seite und unterstützt dich (und wird bei diesem Projekt mit die wichtigste Rolle spielen).
    Ich bin wirklich sehr gespannt auf weitere Folgen dieser, deiner Geschichte.
    Klingt sehr spannend, weiter so und nicht von abbringen lassen.
    LG
    Ede

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    1. Irgend etwas haut mit der Zeitangabe nicht hin ... laut meinem Kalender und der Zeitanzeige meines Computers haben wir genau in diesem Moment den
      14.01.2015 - 03:50 Uhr
      Ich hoffe, dieser Fehler liegt an deiner Zeiteinstellung bei Blogger - nicht das ich im falschen Zeitfenster lebe :)))

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    2. Ich bin überrascht und erfreut, dass ich mit meiner Parallel-Geschichte Interesse wecken konnte.
      Du lebst auf dem richtigen Planeten Ede Peter :) Ich krieg das mit der Zeiteinstellung irgendwie nicht hin. Was spielt das schon für eine Rolle!

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